Begriffsdefinitionen für Unfallgeschädigte (inkl. rechtlicher Hinweise)


1. Reparaturschaden

Ein Reparaturschaden liegt vor, wenn die Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswertes (WBW) des Fahrzeugs liegen.

 

Dann besteht laut § 249 BGB ein Anspruch auf Wiederherstellung, also Reparatur.
Auch eine fiktive Abrechnung ist in diesem Fall möglich.


2. Totalschaden

a) „Echter“ (technischer) Totalschaden

Ein technischer Totalschaden liegt vor, wenn das Fahrzeug nicht mehr reparabel ist – z. B. durch schwere strukturelle Schäden, verzogene Karosserie etc.


Reparatur technisch unmöglich oder wirtschaftlich völlig unzumutbar.
Kein Anspruch auf Reparatur, sondern auf Ersatz gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.

b) Wirtschaftlicher Totalschaden

Reparatur wäre theoretisch möglich, aber die Kosten übersteigen den WBW oder erreichen mindestens 130 % davon.
In diesem Fall spricht man von einem wirtschaftlichen Totalschaden.
Siehe auch:

  • BGH VI ZR 192/13: Wirtschaftlicher Totalschaden = WBW < Reparaturkosten

  • 130 %-Regel möglich: Siehe unten bei „Opfergrenze“

c) Technischer Totalschaden

Oft synonym mit „echter“ Totalschaden verwendet:
Reparatur technisch unmöglich = Fahrzeug irreparabel (nicht nur wirtschaftlich).


3. Bagatellschaden

Ein sehr kleiner Schaden, bei dem keine größeren Reparaturkosten entstehen – meist unter 750 €.


Laut Rechtsprechung kein Anspruch auf vollständiges Gutachten (BGH NJW 2004, 775).
In dem Fall reicht meist ein Kostenvoranschlag + Fotos.
Aber Achtung: Die Bagatellgrenze ist keine starre Grenze – wenn Zweifel an versteckten Schäden bestehen, kann dennoch ein Gutachten erforderlich sein.


4. Opfergrenze (130 %-Regel)

Wenn ein Reparaturschaden bis zu 130 % des WBW beträgt, darf trotzdem repariert werden – aber nur, wenn:

  • die Reparatur fachgerecht nach Gutachten erfolgt (Rechnungsnachweis oder Fotos),

  • das Fahrzeug mindestens 6 Monate weiter genutzt wird.

Diese Regelung basiert auf ständiger BGH-Rechtsprechung: BGH VI ZR 393/02, VI ZR 100/04
Ziel: Erhalt des Fahrzeugs trotz rechnerischen Totalschadens, wenn nachvollziehbare emotionale oder praktische Gründe bestehen.


5. Wiederbeschaffungswert (WBW)

Der WBW ist der Preis, den ein Geschädigter aufwenden müsste, um ein vergleichbares Fahrzeug am regionalen Markt zu kaufen – inkl. Händlergewährleistung.


Relevanter Zeitpunkt: Tag des Schadensereignisses
Quelle: BGH VI ZR 192/13


6. Restwert

Der Betrag, den das beschädigte Fahrzeug im Ist-Zustand noch erzielt.


Ermittlung durch den Sachverständigen im regionalen Markt.


Wichtig: Die gegnerische Versicherung darf nur höhere Angebote berücksichtigen, wenn sie dem Geschädigten konkret und zeitnah zugänglich gemacht wurden (BGH VI ZR 398/02).


7. Minderwert (merkantiler Minderwert)

 

Trotz vollständiger Reparatur verliert das Fahrzeug am Markt an Wert, weil es einen Unfallschaden hatte.

 

Dieser Wertverlust kann geltend gemacht werden – er ist Teil des Schadensersatzes.
Bemessung je nach Alter, Laufleistung, Art des Schadens etc.
Beispiele für Berechnungsmodelle: Ruhkopf-Sahm, BVSK-Methode, Halbgewichtsregel.


8. Nutzungsausfallentschädigung

Wenn kein Mietwagen genommen wird, aber das Fahrzeug nicht nutzbar ist, gibt es eine pauschale Entschädigung.

Höhe richtet sich nach Fahrzeugtyp (z. B. Schwacke-Liste) und Ausfallzeit (z. B. Reparaturdauer).
BGH: VI ZR 129/92 – Nutzungsausfall ist ein „wirtschaftlicher Wert“.


9. Fiktive Abrechnung

Der Geschädigte kann sich den Schaden auf Basis des Gutachtens auszahlen lassen, ohne zu reparieren.

 

Nur Netto-Betrag (ohne MwSt.) wird erstattet, wenn keine Rechnung vorliegt (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Achtung bei Kaskoschäden: Dort ist fiktive Abrechnung i. d. R. nicht möglich.


10. Kostenübernahme durch Zahlungsanweisung (Werkvertrag mit Honorarvereinbarung)

Der Kunde kann mit dem Sachverständigen eine Honorarvereinbarung treffen und durch Zahlungsanweisung die Regulierung an die Versicherung abtreten.

 

Die Versicherung muss das Honorar im Rahmen des § 249 BGB tragen, sofern üblich und angemessen (vgl. BGH VI ZR 225/13).


11. Alters- und Gebrauchsspuren – Unterschied & Schadenbewertung

  • Altersbedingte Spuren: entstehen über Jahre, unabhängig von Nutzung (z. B. Ausbleichen von Kunststoff).

  • Gebrauchsspuren: durch Nutzung verursacht (z. B. Kratzer, Steinschläge).

 

In der Schadenkalkulation wird unterschieden, ob die Beschädigung unfallbedingt ist oder bereits vorher vorhanden war. Vorschäden sind zu dokumentieren – wichtig für die Wertfindung und Minderwert.


12. Lackschichtmessung

Mit einem Schichtdickenmessgerät kann festgestellt werden, ob Teile bereits nachlackiert oder gespachtelt wurden.

 

Wichtig zur Aufdeckung von Vorschäden oder nicht dokumentierten Nachbesserungen.
Standardwert: Serienlack 80–160 μm; alles darüber kann auf Reparatur hindeuten.


13. Vorteilsausgleich / „Neu für Alt“

Wenn durch die Reparatur oder Ersatzteilverwendung eine Wertverbesserung entsteht (z. B. neue Batterie, neue Reifen), kann ein Abzug „neu für alt“ gemacht werden.


BGH: Nur dann, wenn tatsächlich ein messbarer Vorteil entsteht (BGH VI ZR 300/03).
Beispiel: Bei übermäßig abgefahrenen Reifen vor dem Unfall ist ein Teil des Neuwerts selbst zu tragen.


14. Altfahrzeug / Entsorgungskosten

Wenn das Fahrzeug ein wirtschaftlicher Totalschaden ist und nicht mehr verkauft werden kann (kein Restwert), entstehen ggf. Entsorgungskosten.


Diese Kosten sind ersatzfähig, wenn kein Erlös erzielt werden kann (§ 249 BGB).
Entsorgungsnachweis erforderlich (z. B. Verwertungsnachweis gem. Altfahrzeugverordnung).